MS Bachtel




Text und Bilder Stefano Butti

Der Schiffs-Oldtimer „Bachtel“ der Züricheeflotte wird regelmässig am frühen Morgen eingesetzt. Dieser Schiffsdienst 1 bringt täglich Berufspendler zur Arbeit und bis zu 150 junge Menschen von Thalwil nach Küsnacht in die Schule. Damit das Schiff rechtzeitig fährt muss die Mannschaft früh raus.

Der Wecker klingelt um vier
Offiziell ist der Dienstbeginn um 05.20, mit dem Fahrplanwechsel nun sogar noch später. Um die tägliche Position, also die tägliche kurze Wartungsarbeit an den Maschinenkomponenten bereits früh Morgens durchführen zu können, kommen aber die meisten Schiffsführer rund 10 Minuten früher. Der Vorteil ist nämlich, dass die Kaffeepause auch rund 10 Minuten früher beginnt, da die Position ja bereits am Morgen früh ausgeführt wurde. Das heisst zwischen 04.00 und 04.30 aufstehen und ziemlich direkt zur Arbeit. Die Wetterstimmungen und Sonnenaufgänge am frühen Morgen sind aber regelmässig schlichtweg überwältigend und entschädigen für das frühe Aufstehen.

Leben kommt ins Schiff
Mit dem Aufschliessen sämtlicher Türen und somit Fluchtwegen beginnt der Schiffsdienst. Die „Bachtel“ benötigt eine nautische Crew von zwei Personen, einen Schiffsführer und einen Matrosen/Schiffskassier. Einer von diesen beiden hat zudem die Aufgabe, die Maschinenanlagen in Betrieb zu nehmen, sowie die kleine tägliche Wartungsarbeit, Position genannt, auszuführen. Diese Person ist für den ganzen späteren Dienst und somit den ganzen Tag als Maschinist für die Technischen Einrichtungen der „Bachtel“ verantwortlich, wobei die Gesamtverantwortung natürlich, wie per Gesetz definiert, beim Schiffsführer liegt. Auf den grösseren Einheiten der Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft (ZSG), und somit auch zunehmender Mannschaftsstärke, ist der gesetzlich vorgeschriebene Matrose-Motorenwart der Maschinist und muss natürlich, da das Schiff grösser und komplexer ist, eine umfassendere Ausbildung haben. Die Mannschaft besteht beispielsweise auf der „Limmat“ oder der „Linth“ aus Kapitän, Maschinist, Schiffskassier und Matrose. Der Maschinendienst auf einem Schiff beginnt mit dem Aufschlagen des Maschinenbuches, also des Tagebuches der Technischen Einrichtungen. Dort entnimmt der Maschinist die Nummer der aktuell anstehenden Position und kontrolliert, ob eventuell vom Vortag eine Notiz vorliegt die beachtet werden muss. Nun steigt er in den Maschinenraum, kontrolliert die Ölstände von Hauptmotor, Hilfsdiesel/Generator, Getriebe sowie Servoanlage für die Hydraulik des Verstellpropellers. MS Bachtel ist das letzte Eindeckschiff der ZSG (Zürichsee-Schifffahrtsgesellschaft) mit konventioneller Escher-Wyss Verstellpropeller-Anlage. Der Servoölstand wird im Schauglas direkt beim Hydrauliköltank an Deck kontrolliert. Dazu muss das Öl zuerst von Hand hinaufgepumpt werden da es über Nacht kontinuierlich hinunter gelaufen ist. Auch die Kühlwasserstände sowie der Brennstoffstand müssen jeden Morgen kontrolliert werden. Zudem müssen die Seeventile geöffnet, einige Pumpen eingeschaltet sowie das Batterienetz in Betrieb genommen werden. Nun folgt die sogenannte Position, also die weiter oben beschriebene Wartungsarbeit. Im Wochenrhythmus werden kleine Wartungsarbeiten nach definierter Liste fortlaufend ausgeführt. Beispielsweise werden Seefilter gereinigt, die Ruderanlage oder Ankerwinde geschmiert oder die Kondenswasser-Auffangbehälter der Partikelfilteranlage geleert. Auch der gesamte Schiffskörper wird so immer wieder kontrolliert und auf Bilgenwasser untersucht, eine einfache und zuverlässige Methode da fortlaufend immer wieder eine Kontrolle ansteht. Auch wenn das Schiff zwischendurch mal eine Woche nicht im Betrieb sein sollte spielt das keine Rolle, beim nächsten Dienstantritt folgt einfach wieder die nächstfolgende Position.


Es geht los
Sobald alle Arbeiten erledigt sind, kann die Maschine gestartet werden. Vor dem Umbau 1999, als eine neue Maschine eingebaut wurde, musste der Motor vor dem Start noch vorgeschmiert und geschaltet werden. Heutzutage sind diese Handgriffe nicht mehr nötig und der Startvorgang erfolgt ähnlich wie bei einem Lastwagen oder Auto; also Schlüssel einstecken, bis zum Anschlag drehen und der Motor läuft. Nun muss das Getriebe eingekuppelt und die Antriebswelle in Betrieb genommen werden. Wie bei allen Schiffen mit Verstellpropeller, dreht die Antriebswelle inklusive Schiffsschraube auch wenn das Schiff am Steg steht, also sobald der Motor läuft bzw. die Welle eingekuppelt ist. Den Vor- oder Rückwärtsschub generiert dieses System mit der variablen und wechselseitigen Steigung der Propellerflügel. Nach Einkuppeln der Welle werden nochmals einige Kontrollen durchgeführt, da gewisse Systeme direkt von der Schraubenwelle angetrieben werden. Sobald dies erfolgt ist und der Wellengenerator die Stromproduktion übernommen hat, kann von Land- auf Generatorstrom umgeschaltet werden; das Schiff ist nun autark, die Fahrt kann losgehen.


Schiffsdienst 1
Pünktlich um 06.00 Uhr wird im ZSG-Hafen Wollishofen abgelegt. Der erste Schiffskurs beginnt in Thalwil und endet in Küsnacht. Bis um acht Uhr werden ausschliesslich Querverbindungen zwischen Küsnacht, Thalwil und Erlenbach gefahren und erschliessen diese Gemeinden auf dem Seeweg. Rund 250 Personen, davon die Hälfte Schüler, nutzen täglich dieses Angebot. Von 08.30 bis 09.00 hat das Schiff Pause, im Sommerhalbjahr in Zürich, während des Winters in Erlenbach, wobei die Pause im Winter noch eine Stunde länger dauert. Eine bis zwei kleine Rundfahrten ab Zürich folgen, bevor schliesslich um 13.00 Uhr der Feierabend winkt. Im Winterhalbjahr allerdings lediglich für die Crew, das Schiff bleibt während des Winters normalerweise ganztägig im Einsatz (ausser an den Wochenenden).


Feierabend
Wieder zurück in der Schiffswerft und dem Hafen Wollishofen wird Landanschluss erstellt, alle Systeme heruntergefahren und das Abwasser geleert. Also genau das Entgegengesetzte wie am frühen Morgen, wobei am Feierabend meistens alles etwas schneller geht; nicht wegen des Feierabends selbstverständlich sondern weil sämtliche Kontrollen wegfallen, diese macht dann jeweils wieder die nächste Crew am nächsten Betriebstag. Sobald der Fahrtenbericht, also das „Logbuch“, übermittelt wurde (auch dies geschieht heutzutage per E-Mail und nicht mehr in Papierform), sowie sämtliche Türen und Fenster geschlossen sind, hat die Crew Feierabend und sozusagen den Nachmittag (meistens) frei. Kommen Sie doch auch wieder einmal am Vormittag vorbei auf der „Bachtel“, dem Oldtimer mit Baujahr 1962. Sie sind jederzeit herzlich willkommen; schlussendlich weiss man nie, wie lange diese älteren Schiffe überhaupt noch eingesetzt werden. Als Tipp sei noch die Zeit in der zweiten Augusthälfte erwähnt: Als romantisches Pendelschiff zum Zürcher Theaterspektakel wird immer die historische „Bachtel“ bis spät in die Nacht hinein eingesetzt.





Begriffe:
Hauptmotor oder Hauptdiesel:
Der grosse Motor welcher für den Schiffsantrieb benötigt wird, also der Motor zur Fortbewegung des Schiffes, der Fahrmotor.

Hilfsmotor oder Hilfsdiesel: Ein Motor der kleiner ist als der Hauptmotor und für den Antrieb von Nebenaggregaten, also beispielsweise einem Stromgenerator oder einer Pumpe verwendet wird.

Servoanlage: Eine hydraulische Steuerungsanlage für die Verstellung der Propellerflügel beim Verstellpropeller oder ähnliches (beispielsweise beim Auto für die Lenkung). Die Hydraulikkomponente zum Bewegen des Steuer-Ruderblattes beim Schiff heisst allerdings Ruderanlage oder Ruderhydraulik.

Verstellpropeller: Ein Schiffsantrieb bei dem die Steigung der Propellerflügel variabel verändert werden kann. Sobald der Motor läuft, dreht also auch die Schiffsschraube. Soll das Schiff voraus fahren, werden die Propellerflügel angewinkelt, soll das Schiff zurück setzen, werden die Propellerflügel auf die andere Seite angewinkelt.

(Propeller-)Steigung: Der Winkel welcher das Propellerblatt zur senkrechten Linie hat (von der Seite her gesehen). Also sozusagen die theoretische Strecke, welche das Schiff (bzw. die Schiffsschraube) in einer Umdrehung zurücklegt.

Vorschmieren/Schalten: Den Motor von Hand mittels einer Hebelstange (Schaltstange) drehen (siehe auch Bericht Schleppboot Zephyr).